„Schlechte Fotos sind das Ergebnis unscharfer Gedanken“

Joachim Giesel und Torsten Hamacher

Im Gespräch mit Vorstands-Mitglied und Ausstellungs-Organisator Torsten Hamacher plauderte Giesel aus seinem fotografischen Nähkästchen. Es gebe keine guten oder schlechten Bilder, urteilte der Fachmann. Sondern nur Bilder, die mit dem Kopf entwickelt wurden und beiläufige Knipsereien. Gerade seitdem Smartphone und Tablet die Fotografie verändert haben, beobachte er das immer wieder. „Da entdeckt jemand ein tolles Haus und möchte es fotografieren. Er zückt das Smartphone, drückt praktisch im Vorbeigehen auf den Auslöser, anstatt sich die Zeit zu nehmen, vielleicht drei Meter mehr Abstand aufzubauen, um den im Vordergrund störenden Zaunpfeiler aus dem Bild zu bekommen und im Endeffekt ein wesentlich besseres Bild auf dem Smartphone zu haben“, verdeutlichte Giesel im Gespräch. 

„Schlechte Fotos sind das Ergebnis unscharfer Gedanken“ – so lautet entsprechend das Credo seines Schaffens, das schon in den späten 1950er Jahren mit einer handwerklichen Lehre bei einem hannoverschen Fotografen begonnen hat. 1961 folgte die Gesellenprüfung. Anschließend arbeitete der 1940 in Breslau geborene Fotograf als Bildjournalist bei der Hannoverschen Presse. 1966 legte Giesel dann die Meisterprüfung im Fotografenhandwerk erfolgreich ab und machte sich selbstständig. Auch wenn er kein festes Genre hat, zieht sich seitdem die Personenfotografie wie ein roter Faden durch seine vielfach ausgezeichnete Arbeit. Und das verwundert auch nicht. Denn für Joachim Giesel ist die Fotografie das beste Mittel, um Menschen anderen Menschen vorzustellen und näherzubringen. 

Auf die Frage, welchen Typ Mensch er denn am liebsten fotografiert, entgegnet Giesel, der 1985 für seine Arbeit mit dem Staatspreis für das gestaltende Handwerk ausgezeichnet wurde, dass er vor allem Offenheit von Menschen schätzt. „Menschen, die auf einen zugehen können, lassen sich meist am besten fotografieren.“

Und auf die bereitet sich Giesel, der auch lange für das Hannoversche Staatstheater fotografisch aktiv war, akribisch vor. Was ist für den zu Portraitierenden typisch? Gibt es Überraschendes, das Bestandteil des Bildes sein kann? So entstehen seit mehr als sechs Jahrzehnten immer wieder herausragende Bilder, die aus der allgegenwärtigen Bilderflut herausstechen. 

Welche Technik der Fotograf dabei bevorzugt? „Ganz klar – die digitale!”, sagt Giesel. Denn die leistungsstarken kompakten Digitalkameras von heute erlaubten es gerade „unterwegs“, immer wieder Motive einzufangen, die mit großformatiger Technik gar nicht möglich seien. 

Natürlich gebe es dabei rechtliche Grenzen – und das nicht erst seit der DSGVO, erklärte Giesel. Entscheidend sei, dass Bilder, die ungestellt und spontan auf der Straße entstehen, Teil einer künstlerischen Serie, eines Projektes sind. 

Und in solchen Serien arbeitet Giesel viel, wie zum Beispiel die Themen „Menschen in der Gruppe“ und „Rück(en)-Sichten“ in der aktuellen Ausstellung im Club zeigen. Auf ein Thema, an dem der Fotograf aktuell arbeitet, ging Hamacher ganz am Ende des Gesprächs ein: „Das Lächeln der Frauen“. Was sich dahinter verbirgt? „Mir fällt immer wieder auf, dass die meisten Menschen missmutig durch die Gegend gucken, wenn ich in der Stadt oder auf Reisen unterwegs bin. Und das ist doch schade“, sagte Giesel. Mit seiner neuesten Fotoreihe will er ein Zeichen dagegen setzen. Er fotografiert dafür Frauen, die im Alltag lächeln. Ein schöner und absolut förderwürdiger Ansatz, lobte Hamacher und erntete mit dieser Aussage viel Applaus bei den Veranstaltungsteilnehmern.

Wer mehr über Joachim Giesel erfahren möchte, dem seien an dieser Stelle noch seine Website und ein aktuelles Interview von Anne-Kathrin Berger auf dem Fernsehsender h1 empfohlen. Außerdem gibt es hier auf Wikipedia mehr über Joachim Giesel und seine Arbeit zu entdecken.


Bericht: Torsten Hamacher
Fotos: Sandra und Torsten Hamacher