Kluges Handeln verlangt Fakten, denn das Leben aller Menschen ist direkt und indirekt mit dem Ozean verbunden. Unser Umgang mit ihm bestimmt daher auch unsere Zukunft. Die Fakten zum Wechselspiel Mensch–Ozean liefert Martin Visbeck, Professor für physikalische Ozeanographie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Sprecher des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).
Die Datenerhebung im Ozean, der Zusammenhang von Ozeanzirkulation und Klimadynamik sowie Strategien für einen nachhaltigen Umgang sind seine Forschungsschwerpunkte. Der Kieler Ozeanograph ist in verschiedenen internationalen Netzwerken tätig, um Lösungen für die globalen Herausforderungen im Zusammenspiel Mensch-Ozean zu erarbeiten.
„Wissenschaftler sind Entdecker“, sagt Professor Dr. Martin Visbeck. Die Wissenschaft hilft Lösungswege zu erarbeiten, doch liefern kann sie diese nicht. Um die Fakten zusammenzutragen, sind die Forscher heute mit modernster Technik unterwegs – auf den Weltmeeren mit den Forschungsschiffen Polarstern und Merian. Wenn es darum geht, dem Ozean auf den tiefen Grund zu gehen, setzt die Wissenschaft inzwischen auch Roboter ein. Weltweit sind rund 3.900 Roboter auf Tauchstation. Sie liefern aktuelle Daten zur Entwicklung der Weltmeere, erklärte Professor Dr. Martin Visbeck seinem Publikum im PCH.
Das Ergebnis ist beunruhigend. Der Ozean wird seit 1950 kontinuierlich wärmer. Für die folgenden Generationen wird das Konsequenzen haben. Fakt ist: 90 Prozent der kleinen Gletscher schmelzen. Auch auf Grönland und in der Antarktis überwiegen nach Angaben des Professors die Schmelzeffekte. „Der Meeresspiegel steigt um sechs bis sieben Meter, wenn Grönland komplett schmilzt. Bis Ende des Jahrhunderts wird der Meeresspiegel bei absolutem Klimaschutz um 40 Zentimeter steigen, und um 80 Zentimeter ohne Klimaschutz. Ein steigender Meeresspiegel zieht umfassende Folgen nach sich, gerade dort, wo viele Menschen in Küstennähe leben“, skizziert Professor Visbeck ein Zukunftsszenario.
Die weltweite Bevölkerungsentwicklung spielt hierbei eine große Rolle. 1963 lebten 3,5 Milliarden Menschen auf der Erde, heute sind es 7,5 Milliarden, und im Jahr 2050 werden es nach UN-Prognose zehn Milliarden sein. Die Bevölkerungsdichte ist bereits heute in Küstennähe am höchsten und sie wird weiter steigen. 13 von 15 Megacitys sind Küstenstädte und damit besonders gefährdet. 2050 werden dort 22 Prozent aller Menschen leben, nennt der Kieler Wissenschaftler Zahlen.
„Wir haben uns innerhalb einer Generation verdoppelt. Es ist eine tolle Leistung, dass wir aufgrund des Fortschritts so viele geworden sind, doch das bringt auch einen veränderten Bedarf an den Ozean mit sich. Wir haben mehr Menschen auf dem Planeten, wir haben nur diesen einen Planeten und wir haben nur einen Ozean. Wir müssen uns fragen: Wie wird das Leben in ein oder zwei Generationen aussehen? Der Planet hat seine Grenzen“, sagte der gebürtige Braunschweiger und mahnte zu mehr Nachhaltigkeit im Handeln. „Es ist von allem endlich da, und wir werden immer mehr. Wir können in Deutschland viel tun. Der Wandel hat auch etwas mit uns zu tun.“
Von Verboten nimmt der Wissenschaftler Abstand. „Netter als ein Verbot ist es, wenn ich selbst entscheiden kann, wie ich mich verhalte. Dazu braucht es einen Willen und ein System, das einen darin unterstützt.“ Bewusst einkaufen, bewusst reisen, bewusst leben, regte der Sprecher des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ an. „Verzicht kann auch schön sein“, besonders im Hinblick auf die echte Zukunftsfrage, die er an diesem Abend in den Raum stellte: Wie kann ein sicheres und gerechtes Leben aussehen?
Die Präsentation von Prof. Visbeck finden Sie hier.
Bericht: Anja Reuper
Fotos: Karin Lahmann