kestnergesellschaft: "Üben, gute Fragen zu stellen"

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Am 8. Dezember 2015 war der Presse Club Hannover mal wieder vor Ort – dieses Mal in der kestnergesellschaft. Christina Végh, die neue Direktorin, stellte uns ihre Arbeitsschwerpunkte und Ideen für das beliebte Kunsthaus vor.

Kunst muss nicht jedem gefallen, aber Kunst und Kultur sind gerade heute Möglichkeitsräume für Kinder und Jugendliche zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit. „In einer Zeit, in der wir gewohnt sind, Antworten auf Fragen unmittelbar online zu bekommen, ist die Kunst einer der wenigen Bereiche von Widerständigkeit. Wer sich in Ausstellungen aufhält, muss Fragen aushalten können, lernt, wie wichtig es ist, gute Fragen zu stellen – und dass es nicht auf jede Frage gleich eine Antwort gibt“, ist die erste Direktorin der kestnergesellschaft, Christiane Végh, überzeugt.

Seit Mai ist die Nachfolgerin von Veit Görner tätig und hat mit der Ausstellung „Gesellschaft“ der Bildhauerin Rita McBride einen überzeugenden Einstand vollbracht: Die Werke aus den Jahren 1997 – 2015 untersuchen die der Gesellschaft zugrunde liegenden Strukturen und Systeme, die das tägliche Miteinander unmerklich steuern und erst Bewegung und Handeln ermöglichen. Ob Leitungsrohre aus edlem Muranoglas, eine Parkgarage aus Bronze, die Skulptur Threshold – eine Drehtür, in die ein kleiner Bückling eingefügt ist – oder die auf Schablonen reduzierten Schlüssel und Schlösser: Gebrauchsgegenstände ermöglichen durch ihre Form der Ver- oder Bearbeitung auch einen anderen Blick auf Alltagsrealität. McBride wirft Fragen auf – etwa danach, wer wo hereinkommen oder herausgehen kann.

Als sogenannte Institutionskritikerin hat sich die kestnergesellschaft zudem mit Arena eine besondere Aufgabe gestellt: unter dem Namen BLIND DATE eigene Veranstaltungen zu planen. In diesem Rahmen lädt die kestnergesellschaft unter anderem ihre Mitglieder ein, die Installation als Ort der Versammlung zu nutzen.

Ein lebendiger, kenntnisreicher Abend für die Mitglieder des Presse Club Hannover, die nicht nur einen kurzweiligen Überblick über die Ausstellung erhalten haben, sondern ganz nebenbei noch mit der Gastgeberin die Impressionisten streiften und die fünf Punkte zu einer neuen Architektur von Le Corbusier in der Reihe „Manager“ wieder entdecken konnten.

2016 feiert die kestnergesellschaft ihr einhundertjähriges Bestehen. Wir freuen uns auf die Jubiläums-Ausstellung unter der Überschrift „Stellung“ über eine Institution, von der Végh sagt: „Die kestnergesellschaft ist eine der wenigen, die sich nicht haben gleichschalten lassen, sondern in Kauf genommen haben, dass sie geschlossen wurden.“ Diese Haltung verdiene ebenso Respekt wie das imposante bürgerschaftliche Engagement der Mitglieder, Freunde und Förderer – in früheren Jahren wie auch aktuell.

Bericht und Fotos: Katharina Kümpel