Es war ein Abend, den man nicht so leicht vergisst. Dr. Veit Görner (60), seit 2003 Direktor der Kestnergesellschaft Hannover, sprach am 10. September im Presse Club Hannover über Kunst zwischen Idealismus und Kommerz. Er zeigte den faszinierten Zuhörern Perspektiven auf, die ihnen in dieser Deutlichkeit nie zu Bewusstsein gekommen waren.
Von den etwa 6.500 echten Arbeiten von Pablo Picasso bezeichnete Görner maximal 90 bis 100 als qualitativ wertvoll für die Kunstgeschichte, weitere 500 als qualitativ gleichwertig. Der Rest beflügelt den wirtschaftlichen Kreislauf des Kunstmarktes gewinnbringend, aber ohne Nachhaltigkeit. Picasso habe in hohem Maße das Ziel eines jeden Künstlers erreicht, von der eigenen Produktion leben zu können. Aber wer schaffe das schon?
Wenn man sich bildende Kunst als Kreis vorstelle, mäanderte der Mainstream in der Mitte und übe sich in der Erhaltung des Vorhandenen. Herausragende Talente aber seien nur in den Randbereichen zu finden, stets in Gefahr, aus dem Kreislauf herausgeschleudert zu werden, aber mit der Chance des herausragenden Erfolges.
Das Heer der namenlosen Künstler habe keine Chancen im Kunstmarkt, der mehr und mehr von Spekulanten geprägt werde. „Weltweit gibt es etwa 1.000 Milliardäre, die jeder jährlich 100 Mio. Dollar in Kunst investieren“, berichtete Görner, „dabei ist die Sucht nach der Exklusivität des Besitzes extrem hoch. Sie schadet zwar der Gesellschaft nicht, erklärt aber die teilweise unverständlich hohen Preise auf dem Kunstmarkt.“
Nachhaltig prägend für die Kunstwelt seien besessene Kunstsammler mit entsprechenden finanziellen Mittel, die keine kommerziellen Ziele verfolgten, sondern oft mit Intuition ankauften und ihre Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich machten. Als Beispiele dafür nannte Görner die Sammlung Falckenberg in Hamburg und die Sammlung Goetz in München.
Den Sammlern unter den Zuhörern empfahl Görner: „Glauben Sie keinem Kunstfonds, der Ihnen hohe Verzinsungen anbietet. Vertrauen Sie nur Ihrem Herzen, kaufen Sie nur, was Sie sich leisten können, und erfreuen Sie sich daran Ihr Leben lang!“
Kein Wunder, dass die Kompetenz des Referenten in der anschließenden Fragerunde ausführlich genutzt wurde. „Von welchen Künstlern wird man in 100 Jahren noch reden?“ „Welche Position nimmt Hannover als Stadt der Kunst heute ein?“ „Warum erhält der eine oder andere Künstler aus der Region nicht die ihm zustehende Anerkennung?“ Die Antworten wissen nun die Teilnehmer an dieser Sternstunde des Presse Club Hannover. Die anderen hätten ja auch dabei sein können …
Bericht: Ulrich Eggert