Eine Frau als Polizeipräsidentin wird mit Skepsis beäugt

Gwendolin von der Osten und Sabine Wilp

Eine Frau macht Karriere bei der Polizei. Zu mehr als 70 Prozent sind Spitzenpositionen im Polizeiapparat durch Männer besetzt. „Da werde ich mit Skepsis beäugt“, sagt Gwendolin von der Osten. Die 52-Jährige ist seit März 2023 die erste Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Hannover. Dort arbeiten rund 4.000 Frauen und Männer. Am 21. November 2023 stellte sie sich den Fragen der Mitglieder im Presse Club Hannover.

Ja, es gab Vorbehalte bei männlichen Kollegen, gegen sie als Frau, gegen sie als Volljuristin und gegen sie als Quereinsteigerin. Frauen in Spitzenpositionen hätten es bestimmt nicht leicht, sie seien jedoch umso wichtiger. Die Gleichstellung von Frauen und Männern sei Programm. Da sei sie nicht überall beliebt, lautete das Fazit der Beamtin. In Hannover ist es ein Novum, dass alle Fäden der Polizeibehörden bei einer Frau zusammenlaufen. Zuvor war von der Osten zwei Jahre lang Polizeipräsidentin in Göttingen, auch dort als erste Frau in diesem Amt.

Eine Frage, die die Einwohner Hannovers immer bewegt, ist die Sicherheit im öffentlichen Raum. In Anbetracht der neuralgischen Bereiche Bahnhof, Raschplatz und Augustenstraße forderte sie noch stärkeren Einsatz von Quartiersmanagern und Präventionsräten. In den Stadtteilen müsse sehr stark mit den Netzwerkpartnern interagiert werden. Dazu zähle für sie auch eine sichtbare, ansprechbare und sehr präsente Polizei – mit Fußstreifen, sagte die Polizeipräsidentin. Der Auftritt der Polizei solle jedoch nicht zu robust wirken, wie das früher auf Weihnachtsmärkten mit sichtbaren Maschinenpistolen der Fall war.  In den Stadtteilen setzt von der Osten auf die verbindende und ausgleichende Arbeit von Präventionsräten und Vereinen.

Anlass zur Besorgnis: Nach Corona sei ein Anstieg vor allem der Jugendgewalt zu verzeichnen, es herrsche ein weniger friedliches Klima. Und auch im Straßenverkehr steigen Hass und Gewalt. Ihr Fazit lautete jedoch: In Hannover lebe man sicher, aber es gebe Entwicklungen, bei denen genau hingeschaut werde. Das bezieht sich auch auf die Gruppe der 16- bis 18-Jährigen. Der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer ergänzte aus dem Kreis der Zuhörer, dass bei männlichen Jugendlichen mit migrantischem Hintergrund das „Schulschwänzen“ in erheblichem Ausmaß zugenommen habe und auch die Rate der Schulabbrecher gestiegen sei. Für die Polizeipräsidentin ist es ein Muss, die Auswirkungen einer multikulturellen Gesellschaft zu erkennen und sich damit zu beschäftigen.

Als zweite große Herausforderung stellt sich das Thema Cybercrime mit einem geringem Hellfeld, was bedeutet, dass nur die Spitze des Eisbergs sichtbar ist. Dazu zählt auch der Drogenhandel, der gern im Darknet abgewickelt wird. Das Problem der Polizei: Für die Ermittlungen von Verbrechenstatbeständen fehlen Personal und Geld.

Zum Thema Verkehrskonzept Innenstadt sagte von der Osten, dass eine Umgestaltung von Verkehrsflächen mit mehr Qualität und Platz für Radfahrer und Fußgänger hilfreich sei. Eine autoärmere City sei für die Menschen auch friedlicher, fügte sie an. Aber wenn sich Radfahrer als Rowdies entpuppten und wie die Axt im Wald durch Fußgängerzonen rasten, würden auch sie bestraft.

Von der Osten hat klare Ziele: Innerhalb von drei Jahren werde der Frauenanteil im Gebiet der Polizeidirektion Hannover sichtbar ansteigen und die Hierarchien im Polizeiapparat würden flacher.
 

Bericht: Holger Bahl
Fotos: Thorsten Luhm