Was leisten Gerichtsmediziner bei der Aufklärung von Verbrechen, wie stellen sie die Identität eines Toten fest, und wie sieht ihr Arbeitsspektrum aus? Fragen, die der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin in Hannover, Prof. Dr. Michael Klintschar, am 4. Juni den Mitgliedern des Presse Club Hannover beantwortete. Der Ehrenvorsitzende Ulli Eggert führte ins Thema ein.
„Gerichtsmediziner“, so Klintschar, „ helfen den Ermittlern bei der Arbeit und können bei dem Fund einer Leiche feststellen, ob es sich um ein Verbrechen handelt.“ Sie seien zuständig für unklare Todesfälle und Behandlungsfehler und könnten analysieren, ob das Opfer gefallen sei oder einen Schlag auf den Kopf erhalten habe.
Als Beispiel für die Arbeit eines Rechtsmediziners präsentierte Klintschar Bilder einer Leiche, deren Überreste ein Pilzsammler im Wald gefunden hatte. Die Obduktion habe einen Schädelbruch infolge eines Schlages auf den Kopf ergeben. Auch seien Blutungen unter der Hirnhaut feststellbar gewesen. „Ein wenig“, räumte Klintschar ein, „ist auch Kommissar Zufall zu Hilfe gekommen.“ Es habe im Institut eine Kartei mit einer DNA der vermissten Person gegeben, sodass der Fall schnell geklärt werden konnte. Der Mann hatte in der Wohnung mit einem Freund reichlich Alkohol getrunken, beide hätten sich gegenseitig geschlagen und am nächsten Morgen sei der Freund tot gewesen. In der Wohnung seien am Barhocker noch Blutspritzer feststellbar gewesen.
In einem anderen Fall sei ein Mann mit einer Praline vergiftet worden, man habe jedoch an der Karte, an der die Praline befestigt war, die DNA-Spuren des Täters nachweisen können. Eine Speichelprobe habe den Täter überführt. „Viele Fälle, die früher nicht gelöst werden konnten“, sagte Klintschar, „lassen sich heute mit einer DNA-Untersuchung klären.“
Aber zu den Aufgaben eines Gerichtsmediziners gehörten auch rechtsmedizinische Untersuchungen, beispielsweise Todeszeitabschätzungen. Des Weiteren werde mithilfe der Molekularpathologie der plötzliche Kindstod erforscht, und die Ermittlungen über ärztliche Behandlungsfehler seien deutlich gestiegen, jede dritte oder vierte Obduktion beschäftige sich mit Behandlungsfehlern, die strafrechtlich relevant seien. „Im Fall Kachelmann, dem Vergewaltigung vorgeworfen wurde“, räumte Klintschar auf eine Frage aus dem Publikum ein, „hätten die drei Rechtsmediziner jeweils etwas anderes gesagt.“ So etwas komme vor, aber es gebe typische Merkmale für Selbstverletzungen. Sie seien in der Regel oberflächlich und sehr parallel.
Im Anschluss an den Vortrag entspann sich eine intensive Diskussion zum Thema Rechtsmedizin. „Wie kommt es“, fragte ein Teilnehmer, „dass in Deutschland nicht einmal mehr fünf Prozent der Verstorbenen seziert werden?“ In vielen anderen europäischen Ländern seien es deutlich mehr. Da verwundere es wenig, dass eine Studie an der Universität Münster den Verdacht hege, dass in Deutschland jedes zweite Tötungsdelikt unentdeckt bleibe.
Zum Schluss wies der Rechtsmediziner auf die Opferambulanz „Pro Netzwerk Beweis“ in Hannover und Oldenburg hin, bei der Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt die Spuren ihrer Verletzungen sichern und sachkundig dokumentieren lassen können. „Die Spuren“, versicherte Klintschar,“ werden drei Jahre aufbewahrt und können den Strafverfolgungsbehörden als Beweismittel dienen.“
Die anwesenden Mitglieder des Presse Club dankten für einen anregenden und informativen Abend.
Bericht: Ingrid Hilgers