Als sie im Juni 2023 von Frankfurt am Main an die Leine wechselte, war ihr bewusst, dass es an ihrer neuen Wirkungsstätte heißt „Ärmel hochkrempeln“. Aber nun ist Anne Gemeinhardt ja dafür bekannt, dass sie gern anpackt und ausgewiesene Managementqualitäten besitzt. Die Landeshauptstadt Hannover hat sich für die Historikerin entschieden, weil mit ihr der Generationswechsel der Museen für Kulturgeschichte erfolgreich gelingen kann.
„Baustellen bedeuten Gestaltungsmöglichkeiten“, das sei viel besser, als in fertige Häuser einzuziehen, sagt Gemeinhardt. Ihre Philosophie ist getragen von dem Wunsch nach mehr gesellschaftlicher Relevanz der Museen und von der Idee, Museen sollten mehr „Dorfbrunnen“ als „Welterklärer“ sein.
Eigentlich bleibt keines ihrer Häuser, wie es ist. Im Historischen Museum, einem der größten Geschichtsmuseen Deutschlands, laufen die Ausräumarbeiten auf Hochtouren. Saniert wird auch das Museum August Kestner. Und im Museum Schloss Herrenhausen werden die Ost- und Westflügel umgebaut, um eine neue Eingangssituation von der Gartenseite her zu schaffen.
Und weil die Ausstellungsstücke aller Museen fachgerecht gelagert werden müssen, wurde ein zentrales Magazin, eine Art Schatzkammer für die hannoverschen Kulturgüter, an der Vahrenwalder Straße errichtet. Der korrekte Name lautet schlicht Sammlungszentrum. Das wirkt bescheiden, wenn man bedenkt, welche Kunstwerke, Dokumente und Gegenstände des Historischen Museums, aber auch des Museums August Kestner, des Stadtarchivs, der Stadtbibliothek und des Sprengel Museums dort gelagert werden sollen. Unterstellt ist dieses Magazin auch Direktorin Anne Gemeinhardt.
Anna Gemeinhardt kann nicht über Langeweile klagen. Engagiert spricht sie über ihr erstes Lieblingsprojekt im Kontext der Sanierung des Historischen Museums: „Hannover Kiosk“ wird ein Interimsstandort an der Karmarschstraße 40. Er soll die Lücke überbrücken, die durch die lange baubedingte Schließung des Historischen Museums entsteht. Diese temporäre Kultur- und Kommunikationsstätte wird Ausstellungsort, Labor, Forum und ein Lernort zu Themen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Hannovers sein, sagt Gemeinhardt. Die Eröffnung der musealen Dependance ist im September.
Auf neue Zeiten dürfen sich die Fans der vier königlichen Kutschen freuen, die bislang im Historischen Museum ausgestellt waren. Sie werden eine neue dauerhafte Bleibe im Westflügel des Museums Schloss Herrenhausen finden. Im Schloss werden der Ost- und der Westflügel mit einem Eingangsfoyer direkt in den Gartenbereich versehen. Das fehlte bislang.
Beim Museum August Kestner besteht das Ziel der Veränderungen darin, mehr Menschen vom Trammplatz in das historische Haus mit der vorgesetzten modernen Fassade aus dem Jahr 1961 zu locken. Das erste Gebäude wurde 1889 errichtet und im zweiten Weltkrieg teilweise zerstört. Verändert werden soll unter anderem der Eingangsbereich, um das Haus besser erlebbar zu machen. 2026 soll die zweijährige Sanierung beginnen.
Text und Fotos: Holger Bahl