Preisgekröntes aus der Badewanne

Manfred Zimmermann in der Ausstellung

Foto-Matinee im Presse Club: Anlässlich der Ausstellung „Mensch und Arbeit“ in seinen Clubräumen hatte der Presse Club Hannover zur Matinee geladen. Und eine kleine Gruppe Foto-Enthusiasten nutzte die Gelegenheit, die Arbeiten von Manfred Zimmermann in Ruhe in Augenschein zu nehmen.

Was macht es mit Menschen, wenn sie ihre Arbeit an die Kollegen Computer und Roboter verlieren? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich Zimmermann seit vielen Jahren.
 
Angefangen hat er 1970 als jüngster Fotografenmeister in der Bundesrepublik Deutschland. Zunächst im Dienst der Firma Kabelmetal. „Ich habe damals noch kein richtiges Gefühl für Geld gehabt“, räumt Zimmermann heute ein. Schließlich habe er bei Kabelmetal nicht mehr verdient als eine Schreibkraft. Mit der Zeit wuchs die Erfahrung, doch die Gespräche mit seinen Vorgesetzten über eine Anhebung des Gehalts führten nicht zum gewünschten Erfolg. Also machte Zimmermann sich selbstständig. Ein beherrschender Schwerpunkt seiner Arbeit war und ist bis heute die Industriefotografie.
 
Da Zimmermann schon immer lieber das fotografierte, was er wollte, und nicht immer das, was er sollte, entwickelte er schnell eine ganz eigene Handschrift: Statt die industrielle Fertigung abzubilden, abstrahierte er sie. „Ein gutes Bild braucht etwa 30 Prozent Vertrautes, damit der Betrachter es einordnen kann“, erklärte der Fachmann. Der Rest darf den Betrachter nach seiner Überzeugung durchaus herausfordern. Was Zimmermann damit meint, verdeutlichte er an einem Reifen. „Ein Musterbeispiel der Ingenieurskunst, mit dem ich durch seine ausgeklügelte Konstruktion mit Tempo 200 über die Autobahn fahren kann. Zeige ich den ganzen Reifen in seiner bekannten runden, schwarzen Form, bleibt der Betrachter des Bildes daran nicht hängen. Zeige ich aber Details aus dem Inneren der Gummimischung, Teile der verbauten Drähte oder der Karkasse, wird die Neugier des Betrachters angeregt – und er bleibt am Bild hängen“, veranschaulicht Zimmermann, der neben vielen Auszeichnungen auch mehrere Jahre eine Professur an der Akademie für Bildende Künste in Belgrad innehatte. Dass er damit seine Kunden überzeugte, zeigt sich an der zum Teil über Jahrzehnte hinweg bestehenden Zusammenarbeit mit einzelnen Unternehmen.  

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Arbeit von Manfred Zimmermann auch das Automobil. Eine wichtige Rolle spielte dabei in den Anfangsjahren der Selbstständigkeit Zimmermanns Badewanne, räumt er auf eine entsprechende Nachfrage aus dem Publikum ein. „Damals wurden die Bilder ja noch richtig entwickelt und mussten am Ende gewässert werden, um die Photochemie abzuwaschen. Ich hatte damals einen großen Auftrag. Der Golf kam auf den Markt, und VW musste Bilder vom neuen Fahrzeug in alle Welt schicken. Da hab ich meine Badewanne kurzerhand mit in den Entwicklungsprozess einbezogen, da ich ja hunderte Abzüge machen musste“, erläutert der Fotograf auf die zunächst ungewöhnliche Nachfrage von Dr. Sabine Wilp, der Sprecherin der Handwerkskammer Hannover, die Manfred Zimmermann nicht erst seit der Verleihung des Niedersächsischen Staatspreises für das gestaltende Handwerk im Jahr 2000 gut kennt, und die sich an diese Anekdote erinnert hatte.
 
Und wie war es zum Thema der Ausstellung gekommen? „Das erste Bild der Reihe entstand 1970 bei einer Kupferschmelzerei der Firma Hackethal hier in Hannover. Dort war ich an einem Schmelzofen auf einen Mann aufmerksam geworden, der mit einer improvisierten Schutzbrille aus einer Art Fliegendraht am Schmelzofen stand. Ich war fasziniert und fragte, ob ich ihn fotografieren darf.“ Er willigte ein und legte damit unbewusst den Grundstein zu einem in dieser Art sicher einmaligen Zeitdokument: Im Stil August Sanders – der bekannte Fotograf dokumentierte in seiner Zeit in beeindruckenden Portraits verschiedenste Berufsstände – hält Zimmermann bis heute Arbeiter in der Industrie fest. Das Pikante daran: Die Menschen, die er zeigt, gehen Tätigkeiten nach, die es in der Form heute nicht mehr gibt oder die es bald nicht mehr geben wird, weil die fortschreitende Automatisierung in der Industrie sie durch Roboter und andere Maschinen ersetzt. „Doch was wird mit diesen Menschen?“, fragt Zimmermann und macht beim Rundgang durch die Ausstellung auf ein drängendes gesellschaftliches Problem aufmerksam. „Denn wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, werden noch tausende Arbeitsplätze, die Menschen heute in der Industrie Arbeit geben, einfach verschwinden“, sagt Zimmermann und löst damit in der Runde eine muntere Diskussion aus.
 
Fast schon am Rande streift Zimmermann noch ein weiteres Thema, das ihn als Fotograf sichtlich bewegt: das digitale Vergessen. „Bei uns im Keller habe ich bis heute meine Negative sauber katalogisiert in Ordnern archiviert. Braucht ein Kunde ein Bild, ist es kein großes Problem, ihm einen Abzug zur Verfügung zu stellen. Doch mit dem Einzug der digitalen Fotografie wurde das anders“, sagt Zimmermann. Zunächst habe er alles auf Magnetbändern gespeichert. Dann wurden die durch neue Technik ersetzt und er entschied sich für CDs, später für DVDs. „Doch mit jeder Generation neuer Computer veränderten sich die Möglichkeiten, alte Geräte überhaupt noch anschließen zu können. Oft scheitert es schon daran, dass die neuen Betriebssysteme die alten Formate nicht mehr ohne weiteres lesen können“, stellt Zimmermann klar. Immer wieder müsse man heute Bildarchive auf neue Speichermedien umheben, um sie auch künftig weiter nutzen zu können. „Daher ist es manchmal auch ganz gut, wichtige Aufnahmen auf Papier abziehen zu lassen“, schließt Zimmermann einen wirklich interessanten Vortrag, der nicht nur die anwesenden Gäste, sondern ganz besonders auch den Autor dieser Zeilen sehr nachdenklich gestimmt hat.
 
Bericht: Torsten Hamacher
Fotos: Sandra Hamacher