Nicht per Barkasse, sondern im Samba-Wagen ging es auf Entdeckungsreise im Lindener Hafen. Dort war am 2. Juni 2015 der „Presse Club vor Ort“ zu Gast. Am Hafenhaus in der Davenstedter Straße startete der Schienenbus (Baujahr 1960) zu einer rund einstündigen Besichtigungstour. Dabei wurde schnell klar, dass Hafen nicht nur Wasser und Schiffe bedeutet, sondern auch Bahn und Lkw.
Gleich beim ersten Halt, am Railterminal Hannover-Linden (RTH), bot sich die Gelegenheit, „live“ zu verfolgen, wie schnell sich mittels Reachstacker (Greifstapler) Container vom Zug auf einen Lkw umsetzten lassen: Innerhalb weniger Minuten hatte das ferrari-rote Flurförderzeug den sogenannten „Move“ bewältigt. Die Farbe trügt übrigens nicht: Das Kraftpaket stammt tatsächlich aus dem Hause Ferrari. 500.000 EUR koste so ein Exemplar, verriet Hafen-Direktor Jörn Ohm. Mit einem Zug ließen sich 40 Lkw von der Straße holen, rechnete er vor, mit einem Binnenschiff je nach Größe zwischen 60 und 100.
Fast 22.000 Ladeeinheiten – Container und Sattelauflieger – seien 2014 im Terminal Linden umgeschlagen worden, berichtete er. Rund 1,5 Millionen EUR habe man investiert, um die bereits 1991 in Betrieb genommene KV-Anlage (KV steht für „kombinierte Verkehre“) fit zu machen für die beständig wachsenden Gütermengen. Die Seeverkehrsprognose 2025 des Bundesverkehrsministeriums, aus der Ohm später bei seinem Vortrag im Hafenhaus zitierte, geht davon aus, dass der Umschlag von Standardcontainern (TEU) in den deutschen Häfen sich im Zeitraum 2004-20025 von 10,8 Millionen auf 45,3 Millionen mehr als vervierfachen wird.
Am Seehafenhinterlandverkehr, also dem An- und Abtransport der Container mittels KV wollten die Städtischen Häfen Hannover kräftig partizipieren. Die Boxen werden nicht nur im RTH, sondern auch im CTH, dem Containerterminal im Nordhafen ver- und entladen. Im Linienverkehr pendeln Binnenschiffe mehrmals wöchentlich zwischen Bremen, Minden, Hannover und Hamburg. In beiden Terminals zusammen wurden 2014 mehr als 75.000 TEU umgeschlagen.
Dank der „beträchtlichen Investitionen“ sieht Ohm das RTH für die wachsenden Warenströme gut gerüstet. Im Zuge der umfassenden Ertüchtigungsarbeiten seien die Stellflächen für Lkw befestigt und ein neues Abfertigungsgebäude sowie ein Sanitärtrakt für die Fahrer errichtet worden. Gleisbett, Gleise und Weichen der Hafenbahn wurden ebenso erneuert wie der Übergabebahnhof, an dem sich die Gleise der Hafenbahn ins DB-Netz einfädeln. “Wir sind jetzt professionell aufgestellt“, befand der Hafen-Chef. „Auch die Abläufe sind besser und schneller geworden.“
Teil 2 der Hafenrundfahrt führte zurück zum Hafenhaus und weiter entlang des Hafenbeckens. Nun gab es auch Schiffe zu sehen. Kräne, Tanks, Schrottberge, Getreidesilos machten deutlich: Hier werden Massengüter umgeschlagen. Nicht auf den ersten Blick erkennbar war, dass Spedition und Logistik ein Schwerpunkt des Geschäfts sind.
Etwa 200 Schiffe im Jahr machten hier fest, erzählte Ohm. Vor einigen Jahren seien es schon mal 500 gewesen; statt Tankschiffen kämen nun Kesselwagen, „der Kunde hat es so entschieden“. Im Ergebnis ist es egal, ob Schiffs- oder Bahnumschlag – der Hafen verdient an beidem. Und beide tragen jeweils etwa ein Drittel zum Umsatz bei; das verbleibende Drittel wird mit Immobilienmanagement erwirtschaftet.
Der Umsatz liegt bei 15 Millionen EUR. 3,7 Millionen Gütertonnen seien 2014 umgeschlagen worden, berichtete Ohm. Detaillierte Informationen zu den Geschäftszahlen waren ihm nicht zu entlocken – der Geschäftsbericht für 2014 ist noch nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Nur so viel verriet er: 2014 sei ein neues Rekordjahr gewesen.
Nach Ende der Fahrt stellte Ohm im Hafenhaus die Unternehmensgruppe Hafen Hannover vor. Neben dem Lindener Hafen und dem Nordhafen gehören noch der Brinker und der Misburger Hafen dazu. Alle sind unterschiedlich spezialisiert – der Misburger auf Baustoffe, der Brinker auf Recycling und der Lindener auf Logistik. Der Nordhafen wird als „Der Industriehafen“ apostrophiert – das Gelände an der Hansastraße liegt direkt neben dem VW-Werk in Stöcken und dem Continental-Areal. Der Hafen fungiert als „Direktversorger“ für die Unternehmen, aber auch (noch) für das Großkraftwerk.
Die übrigen Häfen sind ebenfalls von Industrie- und Gewerbegebieten „umzingelt“. Alle vier zusammen bringen es auf fünf Kilometer Kaikante, das Gleisnetz der Hafenbahn zieht sich über eine Länge von mehr als 100 Kilometern. Rund 100 Mitarbeiter sind bei den Städtischen Häfen Hannover beschäftigt.
Bericht: Anne Schneller