Dany Schrader: vom BBC-Praktikum an die Spitze der HAZ

Dany Schrader

Dany Schrader, seit zwölf Monaten Chefredakteurin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, hat am 13. Juni 2023 den Presse Club Hannover besucht. Sie berichtete über ihre Ziele und Ideen für eine moderne Regionalzeitung im Herzen Niedersachsens – und über ihren Werdegang.

Dany Schrader hat die Chefposition bei der HAZ am 1. Juli 2022 übernommen. Damit gibt es eine Zeitenwende bei der traditionsreichen Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: Seit der Journalist und Zeitungsverleger August Madsack ab 1893 den Hannoverschen Anzeiger, Vorgänger der heutigen HAZ, herausgegeben hat, war der Chefsessel, wie in der Branche üblich, stets Männern vorbehalten. Jetzt aber steuert eine Frau das renommierte Zeitungsflaggschiff im Hause Madsack. Und sie hat viele neue Ideen, um die Akzeptanz der guten alten HAZ auch in stürmischen Zeiten zu konsolidieren. Ihre Station davor: Mitglied der Chefredaktion des deutschlandweit tätigen RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit Sitz in Hannover.

Beim Presseclub bewegte sich Dany Schrader auf bekanntem Terrain. Denn als junge Journalistin und HAZ-Mitarbeiterin (der sich damals etablierenden Madsack-Heimatzeitungen) hatte sie 2003 eines der ersten Stipendien der Sir-Greene-Stiftung des Presse Club Hannover gewonnen, das es ihr ermöglichte, mehrere Monate bei der BBC in London zu arbeiten. Der Vorsitzende des Stiftungskuratoriums, Valentin Schmidt, freut sich besonders über den beruflichen Aufstieg von Dany Schrader. Er hatte der jungen Frau damals die Stipendiums-Urkunde überreicht. An ihr Auslandspraktikum bei der BBC habe sie gute Erinnerungen, und sie profitiere bis heute davon, sagte Dany Schrader.

Krisen dominieren laut Schrader die aktuelle Berichterstattung. Seit ihrem Start als Chefredakteurin im Juli 2022 begleiten sie die Energiekrise, die Inflation und der Ukraine-Krieg. Viele Menschen fühlen sich durch die schlechten Nachrichten längst überfordert, sagte Schrader. Als „News Fatigue“, Nachrichtenmüdigkeit, bezeichnete sie das Phänomen des Wegschauens, wenn fast jedes große Thema in die eigene Lebenswelt hineinwirke. Angesichts der Vielzahl von Krisen sei diese Reaktion verständlich. Für das Team der HAZ zeigte sie sich überzeugt, dass in diesen unruhigen Zeiten gute Informationen einen besonders hohen Wert haben.

 

Als große Herausforderung bezeichnete Schrader den digitalen Wandel. Die Zeit des Mediums Print sei endlich, was auch mit den drastisch gestiegenen Papierkosten zusammenhänge. Deshalb bewege sich die HAZ in den digitalen Kanälen sehr agil, um ihre lokale und regionale Nachrichtenkompetenz auszuspielen und von der hohen Glaubwürdigkeit der News bei den Rezipienten zu profitieren. Für die Zielgruppe der 18- bis 24-Jährigen biete sie HAZ-News auf TikTok, für die Altersgruppe bis 30 Jahre Social-Media-Angebote wie Instagram. Über 40-Jährige lesen online bei HAZ+ und in den E-Paper-Angeboten.

Lokale Medien haben einen hohen Stellenwert, das zeigten Entwicklungen in den USA, wo es bürgerschaftlich organisierte lokale Zeitungen gebe, weil große Zeitungen vor Ort nicht mehr präsent waren. Die wichtige Aufgabe einer Redaktion bestehe darin, die guten Geschichten zu finden. Und dabei stehe auch der Gedanke im Vordergrund „Was ist beim Nachbarn los?“  Lokale Medien müssten dicht dran sein und genießen das Vertrauen der Leserinnen und Leser.

Natürlich gehe eine Redaktion auch auf die Präferenzen der User auf den Onlinekanälen ein. Deshalb komme es vor, wie jüngst passiert, dass ein neuer Döner-Anbieter mit seiner Marketingaktion „Döner für einen Cent“ ein mediales Echo in der HAZ findet. Dass die Bandbreite der Leserschaft weit gefächert ist, zeigte der Wunsch einer Leserin, die sich dagegen in der HAZ mehr Kultur wünschte.

Zum neuen lokalen Verbund der Redaktionen von HAZ und Neuer Presse sagte Schrader, dass beide Blätter unterschiedliche Strukturen hätten. So sei beispielsweise die NP klassisch stärker im Sport verortet. Der Anspruch beider Chefredaktionen bestehe darin, den Titeln jeweils eine eigene anspruchsvolle Identität zu geben. Lokale Verbundstrukturen seien angesichts fallender Abonnementzahlen in der heutigen Zeit ein Prinzip vieler Medienhäuser.    


Bericht: Holger Bahl
Fotos: Karin Lahmann