Archäologie kann so fesselnd und unterhaltsam sein. Die Mitglieder des Presse Club Hannover erlebten das bei der spannenden Tour d’Horizon zum Thema "Wenn Sensationen Alltag werden" des Landesarchäologen Dr. Henning Haßmann am 6. Februar 2018.
30 Minuten hatte Dr. Haßmann für seinen Vortrag eingeplant, 90 Minuten sprach er, und gefühlt waren es zehn Minuten. „Weitermachen, keine Fragen“ wünschte sich das begeisterte Publikum an diesem Clubabend von dem Leiter der archäologischen Denkmalpflege des Landesamtes.
Regelmäßig ziehen die Wissenschaftler Verblüffendes aus der Erde. Nicht selten wird die Geschichte dann neu geschrieben. „Was, die Römer waren im 3. Jahrhunderten nicht hier!“ Doch, sie waren es. Mit ausgefeilten Methoden widerlegten Henning Haßmann und sein Haus die Aussage, denn es gibt das Schlachtfeld der Römer auf dem Harzhorn bei Northeim, und die Römer waren schon zu frühen Zeiten dort. Mit Metalldetektoren untersuchten die Archäologen das Gebiet.
„Wer sucht, wird fündig“, sagt Haßmann. Ein Leinwandfoto mit einem Lichtermeer macht es deutlich. Jedes Licht steht für gefundene Nägel, und die sind kein Müll. Römische Soldaten hatten unter ihren Ledersandalen rund 80 Nägel. Beim Aufstieg und bei Kampfhandlungen verloren sie schon mal ein bis zwei Nägel. Die Archäologen fanden diese historischen Quellen mit ihren Metalldetektoren, erklärte Henning Haßmann dem staunenden Publikum.
„Nichts hält länger als ein Loch“ – Haßmanns Aussage lässt wieder staunen. Ein Blick auf ein Luftbild und dann seine Erklärung. „Sie können ein Loch nicht so verfüllen, dass man es nicht findet“, und er lässt beiläufig einfließen, dass auch die Kriminalisten der Polizei die Arbeit der Archäologen zu schätzen wissen. Luftaufnahmen helfen, solche Strukturen nachzuweisen und die Denkmäler ausfindig zu machen. Dort, wo es tief wird, herrscht ein anderes Wachstum, und das ist von der Luft aus zu sehen, erklärte er mit den entsprechenden Bildern einen der großen Erfolge der niedersächsischen Archäologen: den Fund des römischen Marschlagers bei Wilkenburg. „Es ist das erste römische Marschlager, das in der norddeutschen Tiefebene entdeckt wurde“, berichtet Haßmann. Münzen, das Zahlungsmittel römischer Soldaten, fanden die Wissenschaftler dort reichlich.
Wenn Großes geschieht, geht dem auch Großes voraus, wie beim Bau der Nordeuropäischen Erdgasleitung. Zwei Jahre archäologische Arbeit investierte das Landesamt an der Nel-Pipeline und wurde mit Funden reichlich belohnt. Heute würden Archäologen schon frühzeitig in die Planungen einbezogen und nicht als Feinde gesehen. Im Zweifel argumentiere er mit der archäologischen Altlastenentsorgung, beschreibt er die kooperative Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflege und Investoren.
Moderne Technik hilft nicht nur, sie macht den Profis des Landesamtes mitunter auch zu schaffen. Für jeden frei und einfach verfügbare Metalldetektoren haben inzwischen ein Heer von Sondengängern auf geschichtsträchtigen Boden gerufen. Schatzsuche ist ein Hobby geworden, nur am Bewusstsein für das kulturelle Erbe der Allgemeinheit hapert es noch bei vielen Hobby-Sondengängern, berichtete Haßmann.
Fundstücke sind wertvolle historische Quellen, sie gehören nicht den Findern, sondern der Allgemeinheit. Im schlimmsten Fall zerstört der Laie die Schätze, sodass sie für die Wissenschaft nicht mehr verwertbar ist. „Wir können es nicht zulassen, dass irgendwelche Leute irgendwelche Sachen aus dem Boden rupfen“, mahnte er. Dabei bestehe eine Meldepflicht für Bodenfunde, und Metalldetektoren bedürften einer Genehmigung.
Erst nach der Absolvierung eines zweitägigen Kursus und der Bestimmung des Suchgebiets dürfe es losgehen, erklärte Landesarchäologe Dr. Henning Haßmann den Gästen. Wer etwas findet, darf es eigentlich behalten, es sei denn, es besteht ein wissenschaftliches Interesse, dann geht der Fund in den Besitz des Landes Niedersachsen über und der Finder erhält einen Finderlohn. „Wir wollen die Information haben, wir wollen keinem etwas wegnehmen“, ist Henning Haßmanns Botschaft.
Die niedersächsischen Archäologen bewegen sich in einem archäologisch vielfältigen Bundesland und gern auch auf moorigem Terrain. „Das ist für uns ein wichtiges Thema", sagt Haßmann und erzählt von der bekannten Moorleiche Mora. Über Mora hätten sie fast alles herausgefunden, Krankheiten, Gebrechen, nur Moras wahre Todesursache bleibt ein Rätsel. „Wir vermuten, sie ist einfach vom Weg abgekommen“, mutmaßt der Archäologe.
Manche Abende sollten nicht enden. Wenn es nach dem Publikum im Presse Club Hannover gegangen wäre, hätte die Tour d’Horizon „Wenn Sensationen Alltag werden“ noch lange weitergehen können. Für sie alle hatte der Leiter der archäologischen Denkmalpflege des Landesamtes noch einen Veranstaltungstipp parat:
Anlässlich des Europäischen Jahres des kulturellen Erbes zeigen das Museum für Vor- und Frühgeschichte und der Verband der Landesarchäologen die Ausstellung „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“ im Walter-Gropius-Bau Berlin. Das Best of der Archäologie startet am 21. September 2018 und endet am 6. Januar 2019.
Bericht: Anja Reuper
Fotos: Karin Lahmann